BERLIN. Es ist wie zu einem Fußball-WM-Spiel: Schon morgens um 8 Uhr fluten am 25. Mai Menschen mit gleichfarbigen Halsbändern, Schals und T-Shirts die Bahnhöfe. Großveranstaltungen gewöhnt, wundert es die Berliner nicht so sehr: „Das sind die Evangelen“, klärt ein Bahnfahrgast seine Frau auf.
Unter dem Eindruck des Attentats von Manchester musste Berlins Innensenator Andreas Geisel noch kurz vor dem viertägigen Evangelischen Kirchentag beruhigen, dass wie am 1. Mai 6 000 Polizisten im Einsatz sind, die erstmals flächendeckend Karten- und Taschenkontrollen durchführen.
Schließlich bejubeln allein 70 000 Christen an diesem Vormittag am Brandenburger Tor den Ex-US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel. Weitere 55 000 verfolgen das Abschiedskonzert der beliebten Band „Wise Guys“ ebenfalls am Brandenburger Tor. Doch die vielen Diskussionen, für die der linksliberale Kirchentag berühmt ist, finden woanders statt.
Auf dem Messegelände zum Beispiel. Hier finden viele der 2 500 Veranstaltungen des Programm-Buches statt. Eltern berauschen sich an „Bibelarbeiten“, Rentner lauschen Kirchkonzerten oder singen in Chören und Teenager aus den zahlreich angereisten „Jungen Gemeinden“ flirten und tauschen „Whatsapp“-Nummern aus.
Geradezu überwältigend ist das Angebot an Organisationen, Vereinen und Unternehmen, die sechs Hallen des „Marktes der Möglichkeiten“ füllen. Unter den 40 „diakonischen Einrichtungen“ in Halle 3.2 ist das Diakonissenhaus Berlin Teltow Lehnin vertreten, das seine Arbeit mit behinderten Menschen in Teltow vorstellt und den letztjährigen Image-Film zeigt.
In Halle 1.2 spricht etwa Bundesentwicklungsminister Gerd Müller darüber, wie der Not im „Chancenkontinent Afrika“ ein Ende zu setzen sei und der Ministerpräsident von Thüringen, Bodo Ramelow über seine Vorstellungen von „Nächstenliebe und Solidarität“.
Wer zwischendurch Hunger bekommt, muss unchristliche Preise hinnehmen: Hier kostet die Currywurst am überfüllten Stand 6,20 Euro. Ein teures Vergnügen, wenn man bedenkt, dass eine Tageskarte zum Kirchentag bei einem Preis von 33 Euro liegt und die Dauerkarte bei 98 Euro. Conrad Wilitzki
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Ressort: Kultur