Wilhelm-Pieck-Straße Sputendorf, ein Diskussionsbeitrag

Kai Schultka ordnet Vorschlag der AfD-Fraktion Stahnsdorf ein

Der Co-Vorsitzende der Grün/Linken Fraktion in Stahnsdorf reagiert mit einem Beitrag auf die Beschlussvorlage der AfD-Fraktion in Stahnsdorf, mit einer Hinweistafel die historische Figur Wilhelm Pieck einzuorden. Er tut dies selbstverständlich in eigener Verantwortung. Hier sein Beitrag.

Geschichtsversessenheit schlägt Moral – Die Wilhelm-Pieck-Straße und rechte Geschichtskultur

Geschichte ist umkämpftes Terrain. Als subtile und dennoch unübersehbare Positionierung im öffentlichen Raum sind Straßennamen in Zeiten zunehmender Polarisierung ein Zankapfel der Geschichtskultur. Vor diesem Hintergrund mag es deshalb zunächst überraschen, dass sich die Fraktion der AfD in der Beschlussvorlage, über die in der kommenden Gemeindevertreter:innensitzung abgestimmt werden soll, nicht dem Votum der FDP anschließt. Diese hatte die Umbenennung der Wilhelm-Pieck-Str. in Sputendorf gefordert. Zwar ist die gedankliche Nähe der AfD-Vorlage zum Antikommunismus der Liberalen unverkennbar. Dass lediglich ein „Hinweisschild“ zur historischen Einordnung angebracht werden soll, erscheint dann aber doch eher halbherzig und offenbart das Dilemma, in dem die Rechtsaußenpartei steckt. In ähnlich gelagerten Debatten positioniert sie sich stets reaktionär: Bezugnahmen auf die deutsche Kolonialgeschichte oder Wegbereiter des Hitlerfaschismus, wie das in der Mohrenstraße oder  beim Hindenburgdamm in Berlin der Fall ist, sollen auch künftig tradiert werden, entsprechen diese doch der national-autoritären Ausrichtung der AfD. Berechtigte Kritik hieran wird kurzerhand mit dem Schlagwort der Hypermoral verunglimpft. Dementsprechend heißt es auch in der Begründung zur Vorlage über die Pieckstr. kämpferisch, man wolle dem „Phänomen der Straßenumbenennung“ entgegenwirken, das als ein Auswuchs der „hypermoralischen Ansprüche der heutigen Zeit“ diskreditiert wird. Als bekennender Kommunist, Mitinitiator des Spartakusbundes und Gründungsvater der KPD verkörpert Pieck zwar das antikommunistische Feindbild der Rechten. Doch ließe sich eine normative Beurteilung hier nur schwer mit der kategorialen Abwertung moralischer Positionen anderenorts in Einklang bringen. Geschichtsversessenheit schlägt also Moral?  Durchaus, aber eben längst nicht nur. Mit einer zu scharfen Abgrenzung zur DDR, als deren erster und einziger Präsident Pieck mit der Benennung der größten Straße in Sputendorf gewürdigt wird, büßte auch das Gerede von der ‚Merkeldikatur‘ an Überzeugungskraft ein, das Empörung viel besser zu schüren vermag als vermeintlich linker Moralismus.

Kai Schultka

Foto: Bundesarchiv Bild 183-19000-3301, Berlin, DDR-Gründung, links Pieck, rechts Grotewohl

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