Mehr Bürgerbeteiligung bei der S-Bahn

Ein Interview mit Thomas Ehrich, Vorsitzender Pro S-Bahn e.V.

Im August dieses Jahres veranstaltete der Pro S-Bahn-Verein den ersten Verkehrsworkshop, im Oktober folgte ein Diskussionsabend über die Gestaltung des Bahnhofes Sputendorfer Straße. Was ist wichtigste Erkenntnis aus den beiden Veranstaltungen?

Thomas Ehrich: Die wichtigste Erkenntnis für mich war, dass viele Bürgerinnen und Bürger bei unserem S-Bahn-Projekt stärker als bisher einbezogen werden wollen. Sie wünschen sich mehr Bürgerbeteiligung, vor allem die Anwohner der Sputendorfer Straße. 60 Teilnehmer beim Verkehrsworkshop, 25 Gäste beim letzten S-Bahn-Stammtisch: Die Zahlen sprechen für sich. Daher empfehle ich sowohl der Gemeinde als auch allen Parteien partizipative Bürgerformate zum S-Bahn-Projekt durchzuführen und mit den Stahnsdorfern zum zukünftigen Bahnhof und zur Entwicklung des Bahnhofsumfeldes zu diskutieren. Wichtig ist, dass wir jetzt damit anfangen und nicht erst, wenn die Kommunalwahlen gelaufen sind und die Deutsche Bahn AG die Entwurfsplanungsphase abgeschlossen hat.


Wie würden Sie planerisch vorgehen? Sollten jetzt schon Entwürfe zum Bahnhof diskutiert werden oder warten wir erst einmal die Ergebnisse des städtebaulichen Wettbewerbs ab?

Thomas Ehrich: Bei unserem S-Bahn-Projekt handelt es sich um das aktuell größte Infrastrukturprojekt der Region. Daher müssen zunächst strategische Fragen zum Bahnhof und seinem Umfeld erörtert werden. Der Ergebnisbericht 2022 des vor einigen Jahren durchgeführten INSEK-Verfahrens „Stahnsdorf 2035“ enthält eine eindeutige Botschaft: „Stahnsdorf bekommt mit dem neuen S-Bahnhof auch ein neues und attraktives Zentrum mit übergeordneten Nutzungsangeboten, vielfältigen Wohnraumangeboten sowie Einzelhandels- und Dienstleistungsangeboten.“ Dieser strategische Bürgerwunsch spiegelt auch die Ergebnisse unseres ersten Verkehrsworkshops wider: Die meisten Stahnsdorfer wünschen sich rund um den neuen Bahnhof ein neues lebendiges Ortszentrum für Jung und Alt mit bezahlbaren Wohnungen, kleinen Geschäften und vielleicht auch einem Bildungscampus. Vielfältige Ideen und Vorschläge liegen auf dem Tisch, sie müssen nur weiter diskutiert und irgendwann entschieden werden. Der städtebauliche Wettbewerb ist ein gutes Instrument für den weiteren Planungsprozess, nur müssen mehr Informationen über den gesamten Wettbewerbsprozess unter Einbeziehung von Bürgerbeteiligungen an die Öffentlichkeit gehen. Das ist nicht nur mein Wunsch, sondern auch die Empfehlung einiger S-Bahn-Ausschussmitglieder.


Apropos S-Bahn-Ausschuss. In der letzten Sitzung gab es auch kritische Stimmen zu der Tätigkeit des S-Bahn-Vereins. Wie denken Sie darüber?

Thomas Ehrich: Unser Verein ist gemeinnützig und Teil der überparteilichen Zivilgesellschaft. Wir sind in erster Linie unseren Mitgliedern verpflichtet und verfolgen dabei die in unserer Satzung enthaltenen Vereinsziele.
Hauptziel unserer Vereinstätigkeit ist und bleibt die S-Bahn-Verlängerung von Teltow nach Stahnsdorf. Einige wenige Ausschussmitglieder verstanden unseren ersten Verkehrsworkshop als mögliches Entscheidungsinstrument für die weitere S-Bahn-Planung. Unser Workshop hatte nicht die Absicht, Entscheidungen zu treffen oder Tatsachen zu schaffen. Wir verstehen uns eher als Impuls- und Ideengeber für die Gemeindevertreter und ihrer Ausschüsse.

Daher sehe ich die Kritik eher gelassen oder anders ausgedrückt: Mit unseren Veranstaltungen steigen die Wahrnehmung und Bedeutung für das S-Bahn-Projekt, viele Bürgerinnen und Bürger fühlen sich einfach abgeholt und das ist gut so. Wir werden weiterhin Bürgerveranstaltungen durchführen. Ich freue mich jetzt schon auf den zweiten Verkehrsworkshop am 21. März 2024 dieses Mal in Teltow und auf das zweite Anwohnertreffen Anfang Juni 2024 im Geranienweg.

Sehen Sie durch den Rücktritt von Verkehrsminister Guido Beermann irgendwelche Auswirkungen auf das S-Bahn-Projekt?

Thomas Ehrich:Nein, sehe ich nicht. Ich bin davon überzeugt, dass sowohl Guido Beermann als auch sein Nachfolger Rainer Genilke große S-Bahn-Unterstützer bleiben werden Ich hoffe, dass der neue Verkehrsminister zu unserem Neujahrsempfang am 13. Januar 2024 nach Stahnsdorf kommen wird. Auf alle Fälle haben die Bürgermeisterkandidaten Tina Reich, Bernd Albers und Richard Kiekebusch ihre Teilnahme zugesagt. Ich lade jetzt schon die Stahnsdorferinnen und Stahnsdorfer herzlichst ein, zu unserem Neujahrsempfang zu kommen und die Bürgermeisterkandidaten persönlich zur S-Bahn, zum zukünftigen Bahnhof und zum neuen Ortszentrum zu befragen.

 Die Fragen stellte Christian Kümpel

 Bild: Pixabay

 

 

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