Spannender Ausflug in die Geschichte

Blick ins ehemalige Wohnzimmer der Frauenrechtlerin Clara Zetkin in Birkenwerder

REGION. Was bis vor 105 Jahren undenkbar war – Frauen als Abgeordnete in Parlamente zu wählen –, wurde in Deutschland ab 1919 etwas Alltägliches: das Frauenwahlrecht. Fast genauso lange gibt es den Internationalen Frauentag, den die ganze Welt seit 1921 am 8. März feiert.
Die maßgebliche Frau und Politikerin hinter der Idee war Clara Zetkin (1857 – 1933). Dass die emanzipierte Frauenrechtlerin bis 1932 in Birkenwerder lebte und die Gemeinde in ihrem ehemaligen Wohnhaus ein kleines Museum betreibt, das war für unsere Redaktion eine Entdeckung und als Ausflug – nicht nur zum Frauentag – eine Empfehlung wert.
Die Gemeinde Birkenwerder lockt auf ihrer Internetseite mit den Worten „Im Obergeschoss finden Sie das Clara-Zetkin-Museum, in dem Sie die wahrscheinlich letzten persönlichen Gegenstände der Sozialistin und Frauenrechtlerin besichtigen können“ zu einem Besuch der Gedenkstätte in der ehemaligen Bahnhofs- und heutigen Summter Straße. Das frühere Anwesen mit Villa der Kommunistin wirkt überraschend großzügig. Heute stehen der parkähnliche Garten und die 1912 errichtete Villa, in der im Untergeschoss die Gemeindebibliothek untergebracht ist, allen offen.

Das Bild Clara Zetkins als junge Frau (l.), porträtiert wohl von ihrem Ex-Ehemann, hing einst im Wohnzimmer. Zwei Freundinnen: Rosa Luxemburg und Clara Zetkin – Skulptur im Garten. (Fotos: my)
Innen erfahren Besucher überraschende Details …

… auch aus dem Privatleben der gebürtigen Sächsin, die mit Lenin genauso befreundet war wie mit dem Unternehmer Robert Bosch. Das Gästebuch ist voll des Lobes von Besuchern aus Nah und Fern. Zeittafeln mit Fotos zeigen eine starke Frau, die ein selbst aus heutiger Sicht schon selbstbestimmtes Leben in einer von Männern dominierten Welt führte. Die ausgebildete Volksschullehrerin trat mit 17 Jahren Frauenrechtsbewegungen bei und kurz darauf auch der SPD. Im Alter von 25 Jahren ging sie aufgrund des Sozialistengesetzes nach Zürich und Paris ins Exil und lebte mit dem russischen Revolutionär Ossip Zetkin zusammen. Im Mittelpunkt ihrer Aktivitäten stand die Gründung der sozialistischen Internationale. Auch ihre beiden Söhne kamen hier auf die Welt.
Nach dem Tode ihres Lebenspartners zog Clara Zetkin mit Maxim und Kostja in die Nähe von Stuttgart. Hier verhalf sie dem Maler Friedrich Zundel, der wegen sozialistischer Aktivitäten von der Hochschule geflogen war, zu Aufträgen und es entwickelte sich eine Beziehung. Als sie 1899 heirateten, war Clara 42 Jahre alt, der Student Zundel 24.
Bei der Familie Zetkin-Zundel verkehrte im neugebauten Stuttgarter Landhaus viel kommunistische Prominenz, darunter Liebknecht und Lenin. Gleichzeitig verband Clara Zetkin eine Freundschaft mit der benachbarten Unternehmerfamilie Bosch, berichtet die Chronografie des Museums. So bat sie Robert Bosch zum Beispiel erfolgreich, geflüchtete Russen zu beschäftigen. Neben Auftritten bei Parteitagen an der Seite von Rosa Luxemburg und August Bebel verantwortete sie als Chefredakteurin die Frauenzeitschrift „Gleichheit“.
1920 wurde Clara Zetkin als Reichstagsabgeordnete der Kommunistischen Partei nach Berlin geschickt. Da sie in der Stadt keine passende Wohnung fand, kaufte der jüngere Sohn 1929 die Villa in Birkenwerder. Seine 72-jährige Mutter konnte von hier aus gut den Berliner Reichstag erreichen. Clara Zetkin beschrieb ihrem älteren Sohn ihr letztes Zuhause in Deutschland so: Es sei „ein Haus mit sonnigen Zimmern und einem größeren, abgeschlossenen Garten, in dem ich spazieren, humpeln und eingepackt liegen kann.“ Ein Jahr vor ihrem Tod 1933 emigrierte sie in die Sowjetunion.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten ließ der Amtsvorsteher von Birkenwerder im März 1933 das ehemalige Wohnhaus von Clara Zetkin durchsuchen. Bücher und andere Druckschriften, die sich noch im Haus befanden, wurden beschlagnahmt und der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) Berlin übergeben. Die Immobilie wurde konfisziert und vermietet.
1949 übertrug die DDR dem aus der Sowjetunion zurückgekehrten älteren Sohn das Haus. Auf seine Initiative wurde 1957 zum 100. Geburtstag seiner Mutter eine Gedenkstätte eingerichtet. Ausgestattet ist die Gedenkstätte mit einem kompletten Wohn- und Esszimmer im damaligen Biedermeier-Stil. GM

Clara-Zetkin-Gedenkstätte
Summter Straße 4, 16547 Birkenwerder, Tel.: 03303/402709

Öffnungszeiten:
Montag + Freitag 11 – 16 Uhr, Dienstag + Donnerstag 11 – 18 Uhr

Bild oben:
Das ehemalige Wohnhaus mit Garten der Frauenrechtlerin. (Foto: my)