Freud und Leid im Straßenverkehr
REGION. Neulich auf dem Rathausmarkt: Trotz des Verbots, dort Fahrrad zu fahren, rauscht ein junger Mann mit Fahrrad an mir vorbei. Dass er einen Kopfhörer aufhat, sei hier nur am Rande erwähnt.
Ein paar Tage später unterwegs nach Schenkenhorst. An der Gruppe der Sportfahrradfahrer, die die Straße raumgreifend mit Beschlag belegt, ist kaum ein Vorbeikommen. Der Höhepunkt ist dann ein Fahrradfahrer, der am Stahnsdorfer Hof bei Rot die Kreuzung überquert. Ich dagegen warte brav, bis es Grün wird. Immerhin könnte jemand auf die Idee kommen, mein Kennzeichen aufzuschreiben. So etwas haben Fahrräder ja bekanntlich nicht. Richtig ist jedenfalls, dass auch Biker nerven können. Und zwar nicht nur in der Sommerzeit, sondern auch im Winter, wenn Lichter an Rädern defekt sind und man sie bei Dunkelheit kaum erkennt. In Berlin und anderen Städten gibt es deswegen die Fahrradpolizei. Sie kontrolliert verstärkt die Pedalritter, und zwar mit viel Erfolg, wie man hört. Eine „Fahrradpolizei“ in diesem Sinne gibt es hier zwar nicht. Da sei auch nichts geplant. Aber in TKS kämen regelmäßig Dienstfahrräder zum Einsatz. So die Auskunft der zuständigen Pressestelle der Polizeidirektion West. Komisch nur, mir ist noch kein Polizist vor Ort auf einem Drahtesel unter die Augen gekommen. Vermutlich handelt es sich vorwiegend um Nachtstreifen. Ansonsten sehe ich gelegentlich Uniformierte, die im Auto unterwegs sind. Apropos, so eine Autofahrt verändert ein wenig die Perspektive. Als Fahrradfahrer glaubt man sich moralisch überlegen, dafür ist man aber sehr verletzlich. Als Autofahrer verursacht man CO2-Emissionen, aber man fühlt sich ganz sicher hinter Stahl und Aluminium. Und so fährt man dann auch. Jüngst dachte ich drum, als ich mit dem Fahrrad unterwegs war und ein Autofahrer mit höchstens 15 Zentimeter Abstand mit seinem Diesel an mir vorbeiraste: Was für ein rücksichtsloser Trottel! Denn diesmal war ich in der Rolle des Pedaleurs. Dabei fielen mir dann sehr schnell noch weitere Sünden ein, die Autofahrer so begehen. Sie verstopfen die Straßen, blicken sich nicht um und lassen ihren Motor einfach laufen, wenn sie kurzzeitig halten. So kann man am Ende wohl nur mit Goethe konstatieren: »Der Kessel schilt den Ofentopf, doch schwarz sind sie alle beide.«
Christian Kümpel, 23.06.20
Bild: Beliebter „Volkssport“: Nebeneinanderfahren. Das ist nur dann erlaubt, wenn der Verkehr nicht behindert wird. Erst 16 oder mehr Radfahrer auf Tour bilden einen Verband im Sinne der Straßenverkehrsordnung und dürfen nebeneinander fahren. (§ 27 StVO). Foto: CA