Briefe aus dem Flüchtlingsheim

Ramadan im Heim

S. (Name ist der Redaktion bekannt) lebt schon seit Jahren in einem Heim in TKS. Er meint, er gehöre zu den Vergessenen. Um ihm eine Stimme zu geben, haben wir vereinbart, dass er regelmäßig für den BÄKE Courier seine Eindrücke von dem Leben hier aufschreibt, die von uns behutsam korrigiert werden. Seine kurzen Berichte wollen wir in unregelmäßigen Abständen in unserer Online-Ausgabe veröffentlichen, damit die Leser sich ein Bild machen können von dem Leben im Heim, das für uns ganz weit weg ist. Noch ein Wort zu diesem Format. Selbstverständlich erhebt er keinen Anspruch auf Objektivität. Im Gegenteil ist er sehr subjektiv. Aber vielleicht gerade deshalb sehr interessant.

Christian Kümpel

Ich komme aus dem Iran, einem islamischen Land. Dort muss man als Muslim den Ramadan einhalten. Wenn man es nicht tut, dann drohen Peitschenschläge. Also fastet man lieber, auch wenn man sich nicht mehr als Muslim fühlt. Noch schlimmer wäre es, wenn ich im Iran bekannt gegeben hätte, dass ich kein Muslim mehr bin. Dafür gibt es die Todesstrafe. Tatsächlich bin ich schon lange nicht mehr religiös. Doch in meiner Heimat musste ich trotz meiner inneren Überzeugungen fasten. Zumindest tat ich immer so, als ob ich fastete. Denn ich wollte nicht, dass sie mich verprügelten und sterben wollte ich auch nicht.

Heute bin ich in Deutschland. Hier gilt die Religionsfreiheit. Das heißt, man darf auch an nichts glauben. Trotzdem muss ich hier auch so tun, das wäre ich ein Muslim und würde fasten. Denn im Flüchtlingsheim sind die meisten Muslime. Deshalb benutze ich die Küche tagsüber nicht und rauche auch nicht in der Öffentlichkeit. Wenn ich das täte, würde ich entweder belehrt oder man würde mich beschimpfen. Die Religion verlangt es nach Ansicht vieler Heimbewohner, dass man sich an den Koran hält. Natürlich kenne ich einige Muslime, die heimlich essen, aber andere zum Fasten auffordern. Diese Heuchelei kennt man auch in Deutschland. Hier heißt es, soweit ich weiß, Wasser predigen und Wein trinken. Apropos, einige Heimbewohner trinken wirklich recht viel Alkohol. Man sieht sie auch bei Kaufland, wo sie Bier und Schnaps kaufen. Ihnen ist langweilig und sie haben keine Arbeit.  Deshalb suchen sie Trost. Während des Ramadans wird das aber nicht geduldet. Die Muslime hier, fordern andere auf, nichts zu trinken, denn zu trinken, wäre respektlos. Und Respekt ist ein Wort, dass man hier oft hört.

Mein größtes Problem in dieser Zeit ist aber der Lärm. Weil man tagsüber nichts essen und trinken darf, verbringen die Leute hier die ganze Nacht damit, zu kochen. Denn Essen kann man nur nach Sonnenuntergang und vor Sonnenaufgang. Dazu hört man aus den Handys Suren aus dem Koran. Der Lärm ist gewaltig. Und so kommt es, dass man während des Ramadans tagsüber kaum ein Auge zutut. Für einige von uns ist das schwer, denn sie müssen morgens zu Arbeit gehen. Sie sind froh, wenn Ramadan endlich vorüber ist.

S.

Bild von OpenClipart-Vectors auf Pixabay

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