Wie aus Bodenreformland wieder Bannwald wurde
Der Wald, der den Ort prägt, Teil 3
Eine der letzten Familien wohnt seit 75 Jahren in dritter Generation in der Kleinmachnower Neubauernsiedlung.
KLEINMACHNOW. Vom Schleusenweg bis zum Stahnsdorfer Damm zwischen BAB115 und Märkische Heide macht der Gemeindewald eine scharfe Linkskurve. Erst am Ziel angekommen, entdeckt man das Richtungsschild „Neubauernsiedlung“ und stößt auf einen sogenannten Wohnplatz mit einer unglaublich bewegenden Geschichte – Liebhaber gerechter Ordnung können beim dritten Teil des Spaziergangs durch den Bannwald damit besonderes Vergnügen empfinden.
Wenn man den Geschichten von Rudi Kiesewalter lauscht, dem Sohn eines Neubauern, der mit seiner Familie glücklich im Elternhaus wohnt, dann bekommt die Raumordnung in diesem Schlussstück des Gemeindewaldes plötzlich Sinn. Nach 1945 kamen seine Eltern mit fünf Kindern nach der Flucht aus Schlesien in Kleinmachnow an. Sie waren Milchbauern und wie viele andere arme und tüchtige Leute kamen sie in der damaligen SBZ in den Genuss, auf Bodenreformland siedeln und ackern zu können, für die Nachbarschaft und die große Familie. Gemüse und natürlich Kartoffeln baute Neubauer Kiesewalter an, und er erbaute das Wohnhaus und mehrere Ställe auf einer Fläche, die einmal mehrfach größer war als das heutige Grundstück. Wo einst die Hühner und Schweine zuhause waren, erfreut inzwischen ein Garten die Familie. „Alle Ställe haben wir längst abgerissen und nebenan, die Kleingartenkolonie, das war auch einmal Ackerfläche.“ Geschlachtet wurde selbstverständlich selber vor Ort. „Fleisch konnte die Familie nicht mehr sehen“, erinnert sich der Enkel, es gab einfach genug davon. In dritter Generation nutzt inzwischen Familie Kiesewalter das Grundstück; Rudis Sohn Hans hat hier den Sitz seines erfolgreichen Garten- und Landwirtschaftsbetriebes eingerichtet.
Mit dem Mauerbau kam, diplomatisch gesagt, dann Unruhe ins Familienleben. „Man wurde von allen Seiten beobachtet“, schildert Rudi Kiesewalter die 60er Jahre mitten im Grenzgebiet. „Wegen des Hofes wollte ich die DDR aber nie verlassen.“ So hielt man sich politisch aus allem raus und hielt auch die Schikanen aus, die einsetzten, als die Flucht seines Bruders von Kleinmachnow nach West-Berlin herauskam. Grenzpatrouillen liefen sowieso ständig und direkt an ihrem Vorgarten entlang. „Wenn an der GÜST Alarm gegeben wurde, merkten wir das sofort“. Vom Ackerland erhielten stramme Parteigänger zudem Platz für Kleingärten. Ärgerlich auch, dass sie dafür Baumaterialien erhielten, die für die Kiesewalters unerreichbar waren. „Es war eine Anlage für Stasi-Mitarbeiter“, erinnert sich der Kleinmachnower über die unerfreuliche Nachbarschaft. Selbstständig wirtschaften durfte er ab den 70er Jahren nicht mehr – die LPG in Stahnsdorf war nun Kiesewalters Arbeitgeber.
„Neubauernsiedlung ist keine Straße“, schrieb übrigens 2014 Kleinmachnows Orstchronist Günter Käbelmann, „sondern eine 1948/51 geschaffene Kleinsiedlung“ für einige wenige „Neubauern“ im Waldgürtel, die durch die Bodenreform eigenes Land erhielten. Der Kleinmachnower Wald hat darunter augenscheinlich nicht gelitten. Von der Land- und Viehwirtschaft fehlt längst jede Spur. Die inzwischen an die Infrastruktur angeschlossenen Häuser liegen verstreut im nach der Wende entstandenen Trinkwasserschutzgebiet mit zahlreichen Brunnen und dem Kleinmachnower Wasserwerk. Neu gebaut werden darf im Wald nicht.
Die abgeschiedene Idylle ohne befestigte Straßen und Beleuchtung, die nicht einmal in gängigen Straßenverzeichnissen auftaucht, weist einige Merkwürdigkeiten auf. „Wir fühlen uns nicht zu Kleinmachnow zugehörig“, sagt der hier aufgewachsene vierfache Vater freundlich. Man fühle sich sehr wohl, so wie es ist, zugehörig fühle man sich dem Land Brandenburg und dem Landkreis. „Im Rathaus erklärte man, mich gebe es nach Aktenlage gar nicht in Kleinmachnow.“ Die Sorgen vor einer Rückübertragung an Alteigentümer sind zum Glück Geschichte. Rudi Kiesewalter ist Eigentümer seines ganz besonderen Gartens mit dem selbstgebauten Haus. (gm)
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Ohne Hinweisschild kaum zu finden, sind die Wohnhäuser der ehemaligen Neubauern im Kleinmachnower Bannwald. Die Abgeschiedenheit und Ruhe wird nicht einmal vom Rauschen des Autobahnverkehrs getrübt. (Fotos: gm)